Medientag Textil an der Akademie für neue Medien in Kulmbach

14. September 2023 | Kulmbach

Wenn in den Medien über die Abwanderung der Industrie berichtet wird, geht es meist um die Automobilhersteller und andere Großkonzerne. Dass aber besonders die Existenz der typisch mittelständisch geprägten Textilindustrie bedroht ist, wurde beim Medientag des Verbands textil+mode überdeutlich.

Vier Themenblöcke – Ausbildung, Energiewende, Spezialtextilien und Nachhaltigkeit – standen im Fokus. Bernd Drechsel, Geschäftsführer der Drechsel Textilveredlung aus Selb machte sehr deutlich, dass seine Kunden mittelfristig den Energieaufschlag nicht zahlen werden. Daher forderte er neben der Strompreisbremse auch eine Gaspreisbremse (Bericht BR) und vor allem eine klar kommunizierte Strategie für die Energiewende. Es fehle ihm die Planbarkeit als Grundlage für Investitionen.

Die Sparte der Textilveredler hat noch ein weiteres Problem: die geplanten EU-Regelungen. Im Rahmen des Green Deal soll die bestehende REACH Verordnung überarbeitet werden und die gesamte Gruppe der PFHxA Chemikalien verboten werden. Dies bewirke praktisch ein komplettes Verbot von Fluorchemie, wie Herr Stefan Thumm erläutert. Als Leiter des Referats Technik, Umwelt und Innovation des Verbands der Bayerischen Textil- und Bekleidungsindustrie e.V. setzt er sich für einen differenzierteren Ansatz ein, damit wasser- und ölabweisender Schutzkleidung und High-Tech Membranen für die Elektromobilität weiterhin in Europa produziert werden dürfen. In der EU-CLP-Verordnung soll zwar die Verwendung bestimmter Stoffe verboten werden, nicht aber der Import.

Anne Göbel, Leiterin des Bereichs CSR des Gesamtverbands der deutschen Textil- und Modeindustrie verschaffte allen einen Überblick über weitere geplante Richtlinien zum Thema Nachhaltigkeit – Lieferkettengesetz, CSRD-Richtlinie, Pflicht zur Herausgabe eines Nachhaltigkeitsberichts. Sie befürchtet, dass die Regelungen sich mehr als Jobmotor für Beratungsunternehmen auswirken. „Man glaubt in der Politik, dass die Unternehmen mehr Nachhaltigkeit umsetzen, wenn sie gezwungen werden darüber zu berichten.“

„Der Antrieb zum nachhaltigen Wirtschaften kommt von mir selbst“ sagt Florian Wirth von der Weberei Georg Chr. Wirth GmbH, der das Unternehmen in vierter Generation führt. Sie konfektionieren nur die Artikel, die vom Kunden bestellt sind, anstatt sich ganze Containerladungen aus China auf Lager zu legen. Aktuell bietet er bereits die GOTS zertifizierte Kollektion „naturebyadam“ an.

Für die Möbelstoff/Deko Kollektion „Sensus“ hat die Weberei Munzert GmbH im nahen Marlesreuth sogar den Brand Award 2023 erhalten. Hier werden nicht nur zu mindestens 50% nachhaltige Komponenten verwendet, sondern der gesamte Prozess inklusive Ausrüstung und Transportwege auf Nachhaltigkeit optimiert. Ganz ohne Greenwashing. „Denn Nachhaltigkeit ist Zukunft“, betont der Geschäftsführer Bernd Kout.

Nachhaltigkeit bedeutet auch Umdenken bei der Verwendung von Produkten. Statt ressourcenfressender Wegwerf-Feuchttücher lieber Mehrweg-Pads aus recycelten Fasern zur Makeup-Entfernung zu verwenden, mit diesem Konzept überzeugte die Gründerin Frau Carolin Schubert bereits in der Höhle der Löwen. Inzwischen haben die Waschies einen Verkaufsladen in der Innenstadt von Kulmbach. Als neuestes Produkt bieten sie ein spezielles Pad für das Auftragen von Gesichts-Tonern und Seren an, von dem die Verkaufsleiterin Frau Alexandra Stammberger gleich Proben verteilte.  

Positiv und optimistisch präsentierten sich die zwei Auszubildenden der BWF-Group aus Hof, die sehr wohl eine Zukunft in der Textilindustrie sehen. Denn die Spezialtextilien Made in Germany werden in aller Welt gebraucht.

Auf einen gesicherten Arbeitsplatz vertrauen auch die neuen Auszubildenden bei Munzert und Drechsel. Dabei sind ein gutes Team, ansprechende Produkte und Spaß an der Arbeit durchaus Werte, mit denen man die jungen Leute überzeugt, sagt der Ausbildungsleiter der Gebr. Munzert, Herr Schubert.

Die eingeladenen Unternehmen bewiesen den anwesenden Medien- und Verbandsvertreterinnen, dass die oberfränkische Textilindustrie trotz aller Herausforderungen innovative Rezepte gegen die drohende Deindustrialisierung hat.

Bernd Drechsel investiert in einen neuen Trockner, der auf grünen Wasserstoff umgestellt werden kann, wenn dieser zur Verfügung steht. Die Unternehmen Munzert und BWF vertrauen auf Ihren Nachwuchs, der sich engagiert und couragiert den Herausforderungen stellt. Und Herr Wirth will beide Familientraditionen verbinden: die textile und die landwirtschaftliche. Er arbeitet daran, dass in Zukunft Brennesselfasern von eigenen Feldern für seine Heimtextilien verwendet werden.

Vielen Dank an Frau Petra Diroll vom Gesamtverband der deutschen Textil- und Modeindustrie, die die Veranstaltung herzlich und unbeirrt von äußeren Einflüssen moderierte. Veranstaltungsort waren die Räumlichkeiten der Akademie für Neue Medien in Kulmbach.

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